Circu:Culture Blog

Denkanstöße für Professionals der Circular Economy

Wir berichten darüber, wie sich die Arbeit in und an der Kreislaufwirtschaft entwickelt und stellen dabei Akteure, sowie Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote vor.

Interview mit Onlinehändler News

Mar 27, 2024
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Im März wurden wir von "Onlinehändler News" interviewt. Die Originalinterview und den zugehörigen Artikel mit dem Titel "In den Kreis, nicht in die Tonne: Wie Unternehmen tatsächlich nachhaltiger wirtschaften" von Hanna Behn gibt es hier

 

Interviewfrage: Wie definiert sich Kreislaufwirtschaft? 

Antwort: Die Kreislaufwirtschaft, auch weitläufig bekannt unter der englischen Bezeichnung „Circular Economy“ könnte man kurz gesagt als eine „Wirtschaft ohne Abfälle“ bezeichnen. Sie ist ein regeneratives System, das auf geschlossenen Materialkreisläufen basiert, bei dem Ressourcen stets auf höchstem Wert gehalten werden, um damit Abfälle zu eliminieren. Ganz konkret funktioniert das, indem der Lebenszyklus von Produkten verlängert wird, z. B. dadurch, dass Produkte wiederverwendet, repariert oder recycelt werden. Allem voran steht dabei die Prämisse, dass die Produkte auch für solche langlebigen Anwendungen konzipiert sein müssen.

Ein Beispiel hierfür wären die sogenannten "Modulare Smartphones", bei denen Benutzer einzelne Komponenten wie Kamera, Akku oder Display austauschen können, anstatt das gesamte Gerät zu ersetzen. Dies reduziert Elektroschrott durch die Förderung der Langlebigkeit von Produkten, weil sie nicht mehr durch den technologischen Fortschritt obsolet werden. Ein weiteres Beispiel ist das Angebot von Kleidungsverleih oder -tauschdiensten, die den Bedarf an Neuproduktion verringern und die Nutzungsdauer von Textilien verlängern.

Interviewfrage: CircuCulture bringt Unternehmen das Thema Kreislaufwirtschaft näher. Wie kam es dazu, dass ihr euch auf die Vermittlung dieses Themas spezialisiert habt? 

Antwort: Vor Circu:Culture hat unsere Gründerin Laura Scherer mehrere Jahre als Beraterin für betriebliches Abfall- und Wertstoffmanagement gearbeitet und dabei mittelständische und auch große Unternehmen, wie z. B. die Handelsketten Lidl und Kaufland bei der Optimierung ihrer Entsorgungsprozesse unterstützt. Dabei war es ihre Aufgabe, das Abfallaufkommen der Kunden zu reduzieren – von der Anfallstelle bis hin zur Verwertung aller Arten von Abfällen und Wertstoffen, die in den Produktionsbetrieben, Filialen und Lagern anfielen.

Dabei kam sie tagtäglich mit solchen Abermengen an Abfällen in Berührung, dass sie sich dachte: „Da kann ich noch so viel beraten, wie ich will – die Müllberge wachsen einfach viel zu schnell“. Also kam sie zu dem Schluss, dass sie einen größeren Impact haben kann, wenn sie andere Menschen dazu motiviert und befähigt, mit ihrer Arbeit auf die Kreislaufwirtschaft und damit auf eine Reduktion der Müllberge und der daraus resultierenden Umweltverschmutzung hinzuwirken.

Die Wissensvermittlung zum Thema „Circular Economy“ wird gerne mit dem Begriff der „Circular Literacy“ in Verbindung gebracht, analog z. B. zur „Digital Literacy“ . Es handelt sich hierbei um die Fähigkeit, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Dabei geht es nicht nur um fachliches Wissen, sondern auch um das Verständnis für die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen, die eine Abkehr von der linearen Wirtschaft mit sich bringt. Circular Literacy befähigt Einzelpersonen und Organisationen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die zur Reduzierung von Abfall und zur Förderung der Ressourceneffizienz beitragen.

Interviewfrage: Deine Einschätzung: Wie groß ist derzeit die Bereitschaft, sich als Unternehmen mit dem Thema überhaupt zu befassen? Kommen Unternehmen auf euch zu oder seid ihr eher proaktiv unterwegs, um für Kreislaufwirtschaft mehr Bewusstsein zu schaffen?

Antwort: Aktuell ist das Bewusstsein und damit die Bereitschaft eher gering, weil viele Unternehmen das Thema Kreislaufwirtschaft gar nicht auf dem Schirm haben und es im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit so viele Ansatzpunkte und Trendthemen gibt, von Dekarbonisierung über erneuerbare Energien bis hin zu Biodiversität, dass sie gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen.

Hinzu kommt der massive regulatorische Druck, insbesondere seitens der EU, der mit Richtlinien wie z. B. der CSRD dafür sorgt, dass viele Ressourcen der Unternehmen nun in die rechtssichere Nachhaltigkeitsberichterstattung fließen und dann teilweise nicht mehr genug Kapazitäten für langfristig ausgerichtete, strategische Themen wie die Kreislaufwirtschaft vorhanden sind.

Allerdings muss man dazu sagen, dass die Circular Economy bereits in vielen Unternehmen unter dem Deckmantel der Ressourceneffizienz in Teilen umgesetzt wird. Was fehlt ist der übergeordnete Blick aufs große Ganze, das „Big Picture“ der Circular Economy, das grundlegend die Wertschöpfungslogik eines Geschäftsmodells ins Auge nimmt und ein neues Wertschöpfungsparadigma vorschlägt.

Ein weiterer Punkt ist, dass der direkte Mehrwert von Bildungsmaßnahmen im Bereich Circular Economy oft schwer quantifizierbar ist, weil es sich eben um strategisches Wissen handelt, das oft im Berufsalltag nicht direkt angewendet werden und dadurch Effizienzgewinne o. Ä. bewirken kann. Einfach zu verdeutlichen ist das, wenn man sich im Vergleich alternative Weiterbildungsmaßnahmen wie z. B. Excel-Training vorstellt: hier ist für die Personalabteilung (die oft den Katalog der Weiterbildungsmaßnahmen bestimmt) klar, dass das Personal das Gelernte direkt im Arbeitsalltag anwenden kann und dadurch (bestenfalls) produktiver arbeitet, was dann wiederum mehr Umsatz bedeutet. Wenn ich Prozesse und neuartige Geschäftsmodelle der Circular Economy vermittele, dann ist das für einen Großteil des Personals zunächst einmal Zukunftsmusik und damit sehr weit weg vom aktuellen Arbeitsalltag. Das Paradoxe daran ist: wenn es nur um fachlichen Input (= Excel) geht, kann man sich genau so gut ein YouTube-Video anschauen. Das Internet bietet eine Unmenge an Informationen. Was wir in diesen Zeiten wirklich lernen müssen ist, wie wir uns auf die Zukunft vorbereiten und kreative Lösungen entwickeln können.

Aktuell sind wir hauptsächlich in den Branchen unterwegs, bei deren Geschäftsmodellen und Personal es bereits konkrete Bezugspunkte zur Kreislaufwirtschaft gibt, z. B. in der Entsorgungswirtschaft, in der vielen Quereinsteiger:innen das Verständnis der gegenwärtigen Prozesse vermittelt werden muss. Es gibt nämlich leider nur wenige Menschen, die sich damit auseinandersetzen, was mit ihren Abfällen passiert und noch weniger, die wirklich wissen, wie die Entsorgungswege und das Recycling in unserer Gesellschaft funktionieren.

Interviewfrage: In euren Weiterbildungsangeboten setzt ihr auf einen interaktiven Ansatz. Wie sieht das genau aus und wie ist die Resonanz? Fällt es den Unternehmen vergleichsweise schwer oder leicht, sich darauf einzulassen?

Antwort: Um über die fachliche Komponente hinaus einen zusätzlichen Mehrwert in den Workshops und Seminaren zu bieten, setzen wir auf Interaktion und Co-Kreation. Das Ziel ist es, unsere Teilnehmer:innen nicht nur „fachlich fit“ zu machen, sondern durch Reflektionsfragen, Anwendungsaufgaben und Diskussionen eine tiefere Ebene zu erreichen, bei der sich mit den eigenen Werten und Motivationen auseinandergesetzt wird. Mein Ziel ist erreicht, wenn die Teilnehmer:innen sich danach sagen, „Das ist so spannend und relevant, darüber möchte ich gerne mehr lernen und das in meiner Arbeit einbringen.“, wenn also ein Funke bei ihnen übergesprungen ist und sie auch bestenfalls durch die Interaktion neue wertvolle Geschäftskontakte knüpfen konnten.

In unseren Formaten wird viel in Kleingruppen gearbeitet und digitale Tools wie Online-White-Boards oder auch visuelle generative KI genutzt, um die Gedankenwelt und -vielfalt besser ausdrücken zu können. In unserem neuesten Workshop zum Beispiel geht es darum, Chancen und Risiken technologischer Megatrends wie Künstliche Intelligenz, Metaverse, Blockchain oder das „Internet of Things“ in utopischen und dystopischen Zukunftsszenarien zu visualisieren. In einem anderen Workshop gibt es eine virtuelle Schnitzeljagd zu unterschiedlichen Arten von Abfalldeponien rund um den Globus. Dabei wird nicht nur Wissen rund um das Thema Deponierung vermittelt wird und das „Ende“ der linearen Wirtschaft aufgezeigt, sondern auch wie die Entwicklung weg von unsachgemäßer Müllablagerung geschieht.

Solche Formate werden von vielen potenziellen Kunden als sehr „exotisch“ gesehen, weshalb wir auch klassischere Workshops und Seminare im Angebot haben, bei denen die frontale Wissensvermittlung zu nicht-kontroversen Themen die Überhand hat – einfach „fachlicher Input, wie man es halt von Weiterbildungen kennt“. Aber ich finde: gerade die Kontroverse erzeugt Spannung und Neugierde und erwachsene, mündige Menschen können sich ruhig auch einmal über Utopien und Dystopien unterhalten.

In unserer Konsumgesellschaft sind wir es gar nicht mehr gewohnt, zu kreieren und kreative Lösungen zu ersinnen. Genau das sind aber die Kompetenzen, die wir benötigen, um Antworten auf die Fragen und Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei unseren Formaten: Der Spaß darf nicht zu kurz kommen – insbesondere bei emotional aufreibenden Themen wie der globalen Umweltverschmutzung. Was gibt es Schlimmeres als eine langweilige, eintönige, frontale Schulungsmaßnahme…

 

Interviewfrage: Wenn man sich dafür entscheidet: Wie fängt man als Unternehmen dieses komplexe Thema überhaupt an? 

Antwort: In der Wirtschaft geht es in erster Regel um Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass die Ansatzpunkte für die Kreislaufwirtschaft in erster Regel auch solche sind, die dem Unternehmen Einsparungen und Gewinne bescheren können. Die oft zitierten „low-hanging fruits“ in der Kreislaufwirtschaft sind aus meiner Sicht zunächst einmal im betrieblichen Abfall- und Wertstoffmanagement zu finden, also bei den eigenen Entsorgungsprozessen. Die bestehenden Prozesse zu optimieren kann schon sehr viel bringen – und zwar nicht nur an Kostenoptimierungen, sondern auch an Datenverfügbarkeit. Denn die Datentransparenz fehlt oft und ohne die Daten aus den aktuellen Prozessen können auch tiefergreifende Änderungen der nächsten Phase nicht vorgenommen werden, bei der es dann um substanziellere Anpassungen in Produktdesigns oder Geschäftsmodellen gehen kann, die dann auch durch entsprechende Bildungs- und Change-Management-Maßnahmen vorbereitet und begleitet werden sollte.

Interviewfrage: Welche typischen Hürden begegnen euch mit Blick auf die Umsetzbarkeit?

Antwort: Abgesehen von den oben bereits angesprochenen finanziellen Aspekten, begegnet uns als Bildungsdienstleister tagtäglich die Hürde, dass Änderungsmanagement auch in erster Linie Kulturmanagement bedeutet – von Unternehmenskultur. Und da diese implizit wirkt und tief in Werten, Routinen und Kommunikations- und Umgangsformen verankert ist, ist sie es auch, die am schwierigsten und langwierigsten zu ändern ist. Das ist ein Punkt, der sich auch in unserem Firmennamen widerspiegelt: „Circu:Culture“ steht für „Circu[lar Economy] Culture“, die es zu kultivieren gilt. Wir benötigen eine Kultur, in der die Circular Economy gedeihen kann. Denn ohne eine solche Kultur und ohne das entsprechende Bewusstsein der Menschen – gerade eben diejenigen Unternehmer:innen und Angestellten, die durch ihre Arbeit die Kreislaufwirtschaft Stück für Stück realisieren werden – werden wir die Transformation in eine nachhaltige Zukunft nicht bewerkstelligen können.

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