Circu:Culture Blog

Denkanstöße für Professionals der Circular Economy

Wir berichten darüber, wie sich die Arbeit in und an der Kreislaufwirtschaft entwickelt und stellen dabei Akteure, sowie Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote vor.

(Laut)starke Nachhaltigkeit: “die Ärzte” Konzerte im C2C-Reallabor Tempelhof 2.0

circular literacy event start-ups Aug 28, 2024

Vom 23. bis 25. August 2024 verwandelte sich der historische Flughafen Tempelhof in Berlin in ein einzigartiges Reallabor für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Das "Labor Tempelhof" bot nicht nur drei fulminante Konzerte der deutschen Kultband “Die Ärzte”, sondern setzte auch neue Maßstäbe für umweltfreundliche Großveranstaltungen. Im Vorfeld kamen Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen, um über die Messbarkeit und Umsetzung von Cradle to Cradle (C2C)-Maßnahmen in Veranstaltungsproduktion, Mobilität, Catering und Energieversorgung zu sprechen.

 

C2C-Summit am Freitag

Den professionellen Auftakt machte am Freitag, den 23. August 2024, der C2C-Summit: Labor Tempelhof. Dieser Summit diente als Plattform, um die bisherigen Erfolge Projekts nach der Erstauflage 2022 zu reflektieren und neue zirkuläre Lösungen für die Veranstaltungsbranche zu diskutieren. Neben einer Führung über das Gelände gehörten zu den Themen auf dem Podium die Fails und Erfolge bei der Umsetzung zirkulärer Lösungen in der Veranstaltungsbranche, nachhaltiges Catering durch Mehrwegkonzepte und die Energieversorgung für die Konzerte über das geschützte Baudenkmal des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Diskutiert wurde ebenfalls die Messbarkeit und Skalierbarkeit von Cradle-to-Cradle-Maßnahmen im Kontext von Großveranstaltungen. Besonderes Highlight waren die Präsentationen aus der Start-Up Szene über das Bier aus Altbrot Knärzje und die Komposttoiletten von Finizio, ebenso wie das komplett weibliche Panel über Mehrweglösungen. Nachdem 2022 noch auf kompostierbares Einweg-Geschirr gesetzt wurde, gab es in diesem Jahr nämlich hauptsächlich Mehrweg-Behältnisse der Firma Vytal sowie kompostierbare Einweglösungen, z. B. des Start-Ups traceless materials.

Der gesamte Summit wurde aufgezeichnet und hier geht es zur digitalen Aufzeichnung.

Was die Ärzte mit Cradle to Cradle zu tun haben

Im Zentrum des Projekts stand das Cradle to Cradle-Konzept (C2C), das auf eine vollständig zirkuläre Wirtschaft abzielt. Die Veranstalter - Loft Concerts in Zusammenarbeit mit C2C NGO, KKT und SBS - setzten sich im Rahmen des Labor Tempelhof das ambitionierte Ziel, klima- und ressourcenpositive Produkte, Prozesse und Innovationen für die Veranstaltungsbranche zu testen und zu skalieren.

Doch warum genau wurde dieses Reallabor mit der selbsternannten “besten Band der Welt” die Ärzte durchgeführt? Ein Blick in den Beirat der C2C NGO gibt Aufschluss: Sänger und Schlagzeuger Bela B. ist dort Mitglied zusammen mit einer Reihe an weiteren prominenten Unterstützer:innen.

Innovative Nachhaltigkeitsmaßnahmen

Das Labor Tempelhof implementierte eine Vielzahl innovativer Nachhaltigkeitsmaßnahmen in verschiedenen Bereichen, die einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung der Circular Economy gemäß des Cradle to Cradle Prinzips verfolgten:

Im Bereich Ernährung und Catering wurde komplett auf vegan-vegetarischer Speisen gesetzt, um umweltfreundliche Essensoptionen anzubieten. Zudem wurde Bier angeboten, das aus Brotresten hergestellt wurde, und darüber hinaus wurde Altfett zurückgewonnen, um es in den Kreislauf zurückzuführen.

Im Abfallmanagement wurde ein umfassendes Recyclingsystem mit 25 "Nährstoffinseln" eingerichtet, die eine effektive Trennung und Wiederverwertung von Abfällen ermöglichen. An diesen Inseln standen jeweils vier 120l Müllgroßbehälter für: Mehrweggeschirr, Mehrwegbesteck, Bioabfälle und Restmüll. Speisereste und kompostierbare Verpackungen wurden für die Kompostierung gesammelt, während mehrheitlich Mehrweggeschirr aus Kunststoffen zum Einsatz kam. Zudem wurde durch 250 Komposttoiletten ein System zur Sammlung und Verwertung von Fäkalien als Dünger implementiert.

In Bezug auf Energie und Mobilität setzte das Labor auf eine Stromversorgung durch 100% Ökostrom. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wurde gefördert, und es wurden ausreichend Fahrradparkplätze bereitgestellt, um umweltfreundliche Anreisemöglichkeiten zu unterstützen.

Im Bereich Materialien und Produkte kamen (zumindest 2022) C2C-zertifizierte und kompostierbare Textilien zum Einsatz. Die Bühnenelemente waren demontierbar und mit einem digitalen Materialpass versehen, um die Wiederverwertung zu erleichtern. Zudem wurden kreislauffähige Reinigungsmittel und Toilettenpapier eingesetzt.

Die Wasserbewirtschaftung umfasste den Einsatz eines atmosphärischen Wassergenerators zur Gewinnung von Trinkwasser aus der Luft, mithilfe dessen den Besuchern an den heißen Konzerttagen im Sommer kostenlose Trinkwasserversorgung angeboten wurde. Auch wassersparende Sanitäranlagen trugen zur nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen bei.

Auch soziale Aspekte wurden berücksichtigt: Es gab vergünstigte Sozialtickets (für 19,90€ anstelle 82€), um den Zugang für weniger finanzkräftige Besucher:innen zu ermöglichen. Das Konzept war barrierefrei gestaltet, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und bot zudem eine besondere Tribühne, von welcher aus diese Besucher:innen eine bessere Sicht genießen konnten. Im interaktiven "Cradle Village" wurden Informations- und Bildungsangebote zur Circular Economy bereitgestellt. Innovative Unternehmen präsentierten hier ihre C2C-zertifizierten Produkte und Lösungen, was den Besuchern nicht nur Unterhaltung, sondern auch wertvolle Einblicke in nachhaltige Wirtschaftskonzepte bot.

Alle Maßnahmen sind in einem informativen Guide auf Deutsch und Englisch zusammengefasst: Guidebook für zirkuläre Veranstaltungen

Reallabore als innovative Forschungsform

Das Labor Tempelhof kann als Reallabor verstanden werden - ein innovatives Forschungsformat, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Reallabore bezeichnen einen gesellschaftlichen Kontext, in dem Forscher Interventionen im Sinne von "Realexperimenten" durchführen, um über soziale Dynamiken und Prozesse zu lernen. Sie bieten einen Rahmen für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft, bei der das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht. Im Fall des Labor Tempelhof kamen Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen, um nachhaltige Lösungen für Großveranstaltungen zu erarbeiten und zu erproben. Dieser transdisziplinäre Ansatz ermöglichte es, wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in der Praxis umzusetzen und zu evaluieren. Gleichzeitig konnten die gewonnenen Erfahrungen wieder in die Forschung zurückfließen, was den zyklischen Charakter von Reallaboren unterstreicht.

Fazit und Ausblick

Das Labor Tempelhof 2024 hat eindrucksvoll demonstriert, wie Großveranstaltungen nachhaltig und ressourcenschonend gestaltet werden können. Es liegt nun an uns allen, diese Impulse aufzugreifen und in unseren jeweiligen Berufsfeldern umzusetzen.

Werde aktiv:

  • Informiere dich weiter über zirkuläre Veranstaltungskonzepte
  • Identifiziere Möglichkeiten in deinem Beruf, Kreislaufwirtschaftsprinzipien anzuwenden
  • Teile dein Wissen (z. B. diesen Artikel!) und inspiriere andere zu nachhaltigem Handeln

Wir von Circu:Culture freuen uns bereits auf die nächste Auflage des Labor Tempelhof 2025 und weitere spannende Reallabore im Bereich der Kreislaufwirtschaft.

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